Freitag, 29. Februar 2008

Selber Mist, anderer Name - Part Deux: Le Boah-Effect

Der erste Enthusiasmus, den man spürt wenn man in eine neue MMO-Welt hineingeworfen wird, ist unbezahlbar. Und viel von dem, was man in den ersten Leveln seines digitalen Lebens erlebt bleibt lange haften.

Einen nicht zu verachtenden und – meiner Meinung nach – nachhaltigen Motivationsschub bekommt man bei jedem MMORPG, wenn man das erste Mal aus dem Noobgebiet einen Fuß in die "große, weite Welt" setzt. War es vorher noch so, dass man sich in einem kleinen, sehr überschaubaren Teil der Welt mit anderen Spielern der Ausrottung der lokalen Fauna widmete und die Käsereibe in der Rechten "State of the art" der Waffentechnik war... kommt man sich nun richtig klein und schäbig vor. Etwas was zumindest ausrüstungstechnisch so richtig ist.
Mit einem mal bemerkt man, dass man:
A) überhaupt keine Ahnung hat, wo man eigentlich ist,
B) keinen blassen Schimmer hat, wo man genau hin soll und
C) dass die Gegner langsam immer mehr so aussehen, als wollten sie einem mit Absicht wirklich fies weh tun.

"Boah ist die Welt groß und wo soll ich nun hin?"

Und genau die Planlosigkeit ist eigentlich ein sehr motivierendes Gefühl. Schließlich fühlt man sich in diesem Moment, als hätte man alle Möglichkeiten offen. (Ein Gefühl, dass allerspätestens beim ersten Twink nicht mehr vorhanden ist.) Mit etwas Glück bekommt man noch durch ein dezentes, rot blinkendes Schild oder einen NPC gesagt: "Junge, wenn du durch dieses Tor oder auf diesen Teleporter trittst ist dein Welpenschutz zu Ende" und man hat urplötzlich diese naive Angst, dass hinter dem nächsten Baum ein fünf Meter großer Playerkiller hervorspringen könnte. Was natürlich Quatsch ist, wären sie fünf Meter groß würde man sie doch schon von Weitem sehen.
Mit ein wenig mehr Glück hat man noch eine Quest und eine ungefähre Richtung mitbekommen und beschäftigt sich nun mit wirklich komplizierten Dingen, wie zum Beispiel sich zu orientieren und die nächste sichere Gegend auszumachen. Nie wieder wird die Ungewissheit und Neugier einen so antreiben wie in diesen Augenblicken…

…und während man seines Weges geht, fragt man sich Dinge wie:
"Wie lange kann ich wohl nach 'da drüben hin' gehen?"
"Wie sieht es da drüben wohl aus?"
"Gibt es da vielleicht irgendetwas nüzliches?"
"Ob es da wohl Mobs gibt, die mich mit drei Schlägen umhauen?"

Die Antworten lauten in diesem Fall:
"Lange."
"Anders."
"Ja, aber du kannst es nicht abbauen."
"Nein, nur anderthalb Schläge."

Wenige Minuten oder Stunden nach diesen ersten Momenten, wenn man um einige Tode und die Erkenntnis, dass es tatsächlich eine blöde Idee ist ganze alleine in den Wald zu gehen, reicher ist, betritt man endlich das erste "Ballungszentrum" des Spieles.

Und da ist er dann wieder, der "Boah-Effekt". Man steht in mitten in einer Stadt oder Raumstation die mit Gebäuden zugepflastert ist, zwischen denen dutzende bis hunderte Spielern hin und herwuseln. Man ist die erste Zeit mit nichts anderem beschäftigt, als sich alles und jeden anzuschauen und sich dabei die wichtigen Orte der Stadt einzuprägen. Tut man das nicht zu diesem Zeitpunkt, dann spätestens wenn man merkt dass man sich Verlaufen hat.

Doch mindestens genau so beeindruckend bzw. einprägend ist, neben der Stadt, 'Es'.

'Es' kann vieles sein, doch meistens ist 'Es' irgendetwas, dass bei bloßer Betrachtung den Gedanken 'Hey! Das will ich auch!' auslöst. Darüber hinaus ist 'Es' meistens etwas, dass man sich, mindestens die nächsten 20 Level, beim besten Willen nicht leisten kann. Sei es nun, dass ein Ritter in schicker Tier-17-Rüstung auf einem Schlachtross vorbeireitet, dass jemand mit einem Gewehr herumfuchtelt, welches man - in diesem Moment - für absolut cool hält, oder ein Raumschiff bei dessen Betrachtung der Satz 'Das ist kein Mond...' vorweg geht.

Stats? Werte? Scheißegal!
Man hat eh keine Ahnung, Hauptsache 'es' sieht geil aus, das reicht um 'es' haben zu wollen.

In diesem Sinne, viel Glück auf der Jagd nach dem verlorenen 'Es'.

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